Balken01a


”Ein Dämon, der auszog, sich ein Engelchen zu fangen ... und etwas völlig anderes bekam.” 01
 

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Prolog – von verkokelten Engeln und einem Entschluss …

"Vater !... Vater !"

Die Stimme des zweiten Dämonensohnes hallte durch die Flure des Palastes, brach sich an den rauen unbehauenen Felswänden und verstärkte sich zu einem ohrenbetäubenden Echo.

Ezechil war wütend. So wütend, wie er es lange nicht mehr gewesen war. Wie hatte sein Bruder es nur wagen können ... dieser Bastard.

"Vater"

Er bog um eine Ecke und rannte, Almér hinter sich her zerrend, direkt auf die Gemächer seines Erzeugers zu. Denn der hatte, wie jeder Andere im Palast, auch nur Augen für Thyrock, seinen älteren Bruder und Anwärter auf den Thron. Er selbst und sein jüngerer Bruder Yvgos wurden eigentlich nur geduldet. Zwar sah man auch ihnen alles nach, erfüllten ihnen jeden Wunsch, aber hinter Thyrock standen sie immer zurück - und nun hatte dieser Bastard von Bruder es wieder getan !

Wütend riss Ezechil die großen, weiten Tore auf, die in den Thronsaal führten und seine lederartigen Flügel schwangen vor Wut.

"Vater"

Weiter kam er nicht, denn neben dem Dämonenkaiser hockte Thyrock, als wäre nichts gewesen und wagte es auch noch, ihn dreckig anzugrinsen.

"Ezechil – Almér sieht ja total angekokelt aus", lachte Thyrock und ließ sich in seinem Thron rechts neben dem Kaiser tiefer sinken. Man sah ihm deutlich an, wie sehr er es genoss, seinen Bruder wieder gedemütigt zu haben und die schwarzen Enden der Flügel des Haustieres seines Kleinen waren eine Genugtuung. "Vielleicht sollte sich dein Engel nicht permanent so anbieten. Dann wäre ich sicher auch nicht auf die Idee gekommen, ihn ein Bisschen zu ficken"

"Thyrock !", mischte sich nun Indigor ein, der es leid war, seine Söhne fast täglich streiten zu sehen, zu hören oder zu riechen. Denn die verbrannten Federn, wenn Thyrock mit den Hausengeln seiner Brüder fertig waren, stanken durch das ganze Schloss. Vor allem, wenn man so eine feine Nase hatte wie ein Dämon, konnte das ganz schön widerlich sein.

"Ja, mein Lord", entgegnete Thyrock und erhob sich. Er breitete seine mächtigen Schwingen aus, dass er nun Ezechil und seinen Almér gegen sich und seinen Vater abschirmte. Sein Schweif zuckte etwas nervös. So, wie Indigor guckte, schien er dieses Mal wohl doch etwas zu weit gegangen zu sein.

"Thyrock – dein Verhalten ist eines Thronfolgers nicht würdig. Wie oft sagte ich dir schon, fang dir einen Engel und mach mit ihm was du willst, aber lass Almér und Gasué in Ruhe"

Na prima – jetzt wurde er ausgemeckert wegen der bekloppten Hausengel seiner kleinen Brüder. Was konnte er denn dafür, dass die nackten Flattermänner sich so anboten ? Zu allem Übel hörte er auch noch Ezechil hinter sich kichern und als Thy sich umwandte, um ihn anzufunkeln, strich der sich nur das dunkelblaue, lange Haar über eine der blassen Schultern zurück. Wie er selbst auch, trug er nur eine Hüfthose. Die Schwingen waren ausgebreitet und legten sich schutzbietend um Almér – wie abartig, sich um einen Engel zu sorgen. Das waren Haustiere – mehr nicht ! Der starb schon nicht gleich, nur weil er mal etwas härter rangenommen wurde. Und so wie der Flattermann geschrieen hatte, schien der auch nicht gerade wenig Gefallen daran gehabt zu haben. Dass er in seiner Leidenschaft mal wieder seine Flammenfähigkeiten nicht beherrschen konnte, war ein Unfall gewesen – aber das musste ja Keiner wissen. Immer noch besser, jeder dachte, es war bösartige Absicht, als sich einzugestehen, dass es Unfähigkeit war.

"Ich will keinen Engel." zischte Thy. "Ich will keinen sensiblen Ja-Sager, der bei jeder härteten Gangart gleich kaputt geht."

Er sah auf Ezechil hinab, der noch immer am Fuße der Treppe zum Thron stand und Almér an sich drückte. Die langen Nägel gruben sich sanft in die weiche, nackte Haut des Engels. Das Gesicht hatte der Gefallene an Ezechils Hals vergraben. "Schau sie dir doch an. Ich habe keine Lust, mir ein Haustier zuzulegen, dass ich permanent beschützen muss. Es sollte alleine lebensfähig sein." Sich durch die violetten, verfilzten Haare streichend, streckte er sich kurz. "Ich will was Robustes."

"Dann verpiss dich und such dir was." Mittlerweile war auch Yvgos eingetreten, das grüne Haar wehte um seinen Kopf wie Flammen und seine dunkelgrünen Augen funkelten.

Uups – da hatte wohl der Nächste seinen angekokelten Engel gefunden.

"Vater – schickt ihn dahin, wo er sich austoben kann – schickt ihn in Anthars Tränenpalast, soll er sich dort einen Kerl kaufen und mit ihm machen was er will, aber ich bin es leid, daß er sich an Gasué vergeht."

Thyrock verdrehte die Augen. Und das wollten Dämonen sein ? Wimmerten wie Babys, weil ihre Engel ein Bisschen angesengt waren und das wollten Feuerdämonen sein ?

Aber was hatte der kleine Nichtsnutz von sich gegeben ?

Anthars Tränenpalast ?

Der Drachenkrieger, der die schönen Dinge sammelte und bewahrte ?

Warum eigentlich nicht … sicher waren da nicht so verweichlichte Flauschengel zu finden, wie Almér und Gasué es waren. Er brauchte was Richtiges. Etwas, was fauchen und kratzen konnte, was guten Sex zu schätzen wusste und wo sich nicht gleich wieder einer bei seinem Vater beschwerte.

"Nein." Indigor brauste auf.

Was dachte sich sein Jüngster ? Nur weil seine Mutter ein Mensch gewesen war, musste er doch nicht auch so verweichlicht sein und rumjammern. "Yvgos, wie kannst du es wagen und Thyrock des Palastes verweisen zu wollen. Weißt du nicht wo dein Platz in der Hierarchie ist ?"

Der Jüngste schluckte und zog Gasué dichter.

"Haltet ein, mein Lord." Thyrock sah doch gerade allen Ernstes seines Ausflug in Gefahr – da musste was dagegen unternommen werden !

"Vielleicht wäre es besser, ich tobe mich noch einmal richtig aus und stoße mir die Hörner ab, bevor euer Premier beginnt, mich in die Mangel zu nehmen und zu einem würdigen Thronfolger zu machen. Gebt mir noch ein paar Tage für mich und Yvgos und Ezechil können ihre Flattermänner wieder fliegen lassen, ohne Angst haben zu müssen."

Die beiden jungen Dämonen knurrten. Auch Indigor schien dem gegenüber nicht gerade wohlwollend.

"Thyrock – der Thronfolger des Flammenreiches in solch einem …"

"Bordell." half Ezechil schnell mal auf die Sprünge, denn genau das war es ja auch – ein Bordell, wenn auch die Huren kostbar und erlesen waren, täuschte nichts darüber hinweg, dass man für sie einen hohen Preis bezahlen musste.

Der Kaiser stützte dein weißes Haupt auf eine Hand auf und stöhnte. Hatte eigentlich jeder Dämonenvater solche Probleme mit dem Nachwuchs ? Hätte er nur nie gestattet, daß seine Söhne sich gefallene Engel halten durften – ihm wäre Einiges erspart geblieben.

"Nun gut, Thyrock. Da ich dir sowieso nichts ausreden kann, schließlich bist du stur wie deine Mutter, und du langsam in ein Alter kommst, wo du anfangen musst, allein für deine Fehler grade zu stehen, so überlasse ich dir die Wahl."

"Na, geht doch – bin dann weg." grinste der Violetthaarige und faltete seine Flügel wieder ein. Er ging die Treppe hinab und wandte sich noch mal zu seinem Vater um. "Ich bin dann in einer Woche oder so wieder da."

Als er ging, schnickte er Almér gegen die Nase und zog Ezechil noch mal am Schweif und Yvgos brachte sich und Gasué außer Reichweite, bevor sich das gleiche Spiel noch einmal wiederholte.

Na den sahen sie zum Glück so bald nicht wieder.

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Von all dem ahnte der schlanke Geflügelte nichts, der sich gerade in einem der Zimmer des Palastes auf den Rand des aus dem Stein gehauenen, mannshohen, runden Fensters setzte. Sehnsüchtig blickte Avelle durch die schmalen Gitter auf den freien Himmel, die Wolken, welche durch den starken Wind zerfasert wurden und ihn lockten, die Schwingen auszubreiten und diese Weiten zu erobern. Langsam schlossen sich die sonnengelben, pupillenlosen Augen des Geflügelten und er lehnte gegen das kalte, schwarze Eisen des Gitters ... selbst nach all den Jahrzehnten, die er nun schon hier war, konnte er seine Sehnsucht nicht verleugnen, da sie in seinem Wesen und seinem Blut lag. Vor fast hundert Jahren war er als schlanker Jüngling in einer Schlacht von dem großen Mayhem Anthar, dem Obersten der Blitzdrachen, erbeutet worden – doch anstatt ihn zu fressen, versklavte er ihn und sperrte ihn hier in seinen Palast, der nicht umsonst "Der Palast der Tränen" genannt wurde. Nur langsam öffnete Avelle seine Augen wieder und betrachtete die Kette, die von der Wand seines schlichten, aus dem nackten Stein gehauenen Zimmers zu dem breiten Schmuckreif an seinem Fußgelenk reichte – auch wenn es wunderbar geformtes, sattgoldfarbenes Metall war, filigran und durchbrochen und damit Ranken ähnelnd, die sich um sein Gelenk wanden, so täuschte doch nichts, daß es eine Fessel war, die ihn hier gefangen hielt. Mit einem leisen Seufzer berührte der schlanke Geflügelte den herrlichen, ebenso durchbrochen und filigran gehaltenen Halsschmuck, der goldfarben an seinem Hals lag – ein herrlicher Kontrast auf seiner weißen, goldschimmernden Haut, doch trotz der funkelnden Edelsteine und des wertvollen, extraharten Schmuckmetalls ein Sklavenreif, den ihm der Mayhem persönlich angelegt und durch seine Gedanken versiegelt hatte. Sein gesamter Körper war geschmückt mit feinem Goldschmuck und herrlichsten Edelsteinen in den verschiedensten Gelb- und Rotnuancen ... zeigte so unmißverständlich, daß er einem Drachen gehörte und es nur mit dessem Einverständnis möglich war, ihn zu berühren oder gar zu für eine Nacht zu besitzen. Doch hier in diesem Palast war er käuflich – wenn ein Kunde ihn wünschte und den geforderten Preis zahlte, so hatte er diesem Kunden zur Verfügung zu stehen, der alles mit ihm machen konnte, außer, ihn zu verstümmeln oder zu töten. Langsam hob Avelle seinen Blick und betrachtete die schwarzen Felle an den Wänden und auf dem riesigen Bett, die einen so starken Gegensatz zu seiner hellen Gestalt bildeten – doch sie waren weich und warm und der schlanke Geflügelte war dankbar für sie, denn so mußte er nicht so viel des nackten Felsens sehen. Ein großer Kamin mit einem immerbrennenden Feuer, ein großes Bad mit einer riesigen Wanne, die auch dazu da war, um darin Kunden zu bedienen, bildeten mit einer eher kleinen Truhe die einzige Einrichtung neben diesem Bett und mit einem erneuten Seufzer dachte der Geflügelte an seine alte Heimat, die reichgeschmückten Häuser, die sich auf Felsvorsprünge schmiegten und an das Lachen der Anderen, das er so vermißte. Doch dann riß er sich wieder zusammen – nickte nur und ging ins Bad, begann, seine hüftlangen, sanft rotschimmernden, goldenen Haare zu waschen und danach auch sich selbst und die Flügel, um einen möglichen Kunden nicht zu verärgern.

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Irgendwie schien der Weg kein Ende nehmen zu wollen. Thyrock wurde es langsam wirklich öde, hier durch die Lüfte zu schweben und zu suchen.

Er hatte schon präzisere Ortsangaben bekommen als nur "Auf einer hohen Klippe direkt am Meer – kannst du gar nicht verfehlen". Immer wieder murmelte er diese Worte vor sich her und schlug kräftig mit seinen Schwingen.

Und sowas nannte sich Berater ? Einer, der nicht mal wusste, wo der nächste Puff zu finden war ? Na eines stand felsenfest – wenn er Kaiser wurde, war der Trottel weg von Fenster. Das ging schon einmal auf seine Liste mit ein.

"Hohe Klippe – gar nicht verfehlen"

Er kam gar nicht darüber hinweg.

Erst sein Vater, der auf ihn eingeredet hatte, dann seine beiden kleinen Zwecken von Brüdern, die - ihre angekokelten Engel an sich drückend – immer noch freche Bemerkungen geworfen hatten, als er versucht hatte, aus dem Schatz der Ahnen ein bisschen Schmuck zu bekommen, ganz diplomatisch, versteht sich und dann noch diese Null von Berater, der keine Ahnung hatte, wo der Tränenpalast eigentlich lag.

Nun flatterte Thyrock seit heute Mittag sinnleer durch die Gegend – immer zum Meer hin und langsam war die Sonne dabei, den Horizont zu küssen.

Seine Hand fuhr zu seinem Gürtel, am dem er einen kleinen Sack mit Schmuck befestigt hatte. Ein wunderbares Geschmeide seiner Urgroßmutter, Fürstin Galania, hatte er von dem Schatzverwalter ergaunert und war ganz zufrieden mit seiner Beute. Es war ein aufwendig gearbeiteter Brustschmuck aus Dioptas – grün und blau schimmernde Steine, die nur die besten der besten Goldschmiede bearbeiten konnten. Denn dieser Stein war spröde, zersplitterte bei der kleinsten Unachtsamkeit und war somit nur selten in Geschmeide zu finden.

Zarte Silberfäden hielten alles zusammen und gaben dem Ganzen seine Form.

Nicht, dass sich Thyrock wirklich für Schmuck interessierte. Aber wenn er die Bezahlung für den Besitzer des Plastes war, so sollte er sich schon kundig machen, um ihn anpreisen zu können.

"Na endlich !"

Das Rauschen des Meeres kam mit dem Wind zu ihm und so schien er seinem Ziel langsam näher zu kommen. Jetzt konnte er nur hoffen, dass er die Klippe, die er suchte, auch sah und nicht noch stundenlang die Küstenlinie abfliegen musste. Zum einen hatte er dazu keine Lust, zum anderen würde sein Sklave hinterher aber ordentlich herhalten müssen.

Aber erst musste er mal einen haben und so legte er noch einen Zahn zu. Seine mächtigen Schwingen verdrängten die Luft und es dauerte wirklich nur noch Augenblicke, bis er vor dem ewig fließenden Wasser langsamer wurde.

Er hatte kein Auge für die Schönheit des Meeres, die Schaumkämme oder den weißen, weichen Strand. Ihm diente es nur als Orientierung.

Seine Augen sahen sich um und auf einer Klippe schien wirklich eine Art Schloss zu stehen. Nicht das, was er sich unter einem Palast vorgestellt hatte, aber immerhin etwas, was der Beschreibung des unfähigen Beraters nahe kam.

So gab er den Segelflug auf und setzte sich wieder in Bewegung.

Die Entfernung täuschte. Dadurch, dass die Klippe sehr hoch lag, wurde der Weg immer länger, Thyrocks Nervenkostüm immer angespannter und seine Laune sank auf Null – denn es fing an zu regnen, prasselte auf seinen nackten Rücken und die Schwingen.

Der Lord der Hölle sollte seinem zukünftigen Sklaven beistehen und dafür sorgen, dass er robust war !

}|{

Von all dem ahnte Avelle nichts, als er gewohnheitsgemäß seine kleine Höhle säuberte und dafür sorgte, daß sie nicht nur sauber war, sondern auch schön aussah und zum Verweilen einlud. Er hatte schon oft gesehen, was Sklaven blühte, die widerspenstig waren und sich weigerten ... und Avelle war zwar von seinem Wesen her wehrhaft und konnte auch aufmüpfig sein, doch er war auch klug genug, den Hohen Herrn nicht zu verärgern. Erst, als er fertig war, setzte er sich wieder auf den breiten Fenstersims und betrachtete die Vögel an den Klippen, die zerfasernden Wolken und auch das Gewitter, das langsam den Himmel verdunkelte. Einen Moment lang die Augen schließend, rief sich der Geflügelte in Erinnerung, wie schön es war, in den Aufwinden eines Gewitters zu fliegen ... doch dann wurde er jäh aus seinen Gedanken gerissen, als die Türe geöffnet wurde und einer der Sklaven ihm das Abendessen auf den kleinen Tisch an der Seite stellte. Avelle bedankte sich nicht, denn es war ihm nicht erlaubt, mit einem der anderen Sklaven zu reden – nickte einfach nur und stand wieder auf, setzte sich an den Tisch und trank genießend die etwas dickere, bläuliche Flüssigkeit, ehe er das gebratene Fleisch und den Salat aß, die man ihm gebracht hatte. Noch während er aß, fing es draußen an, zu regnen – nur kurz hob Avelle den Blick und wünschte sich, die kühlen Tropfen auf seinen Federn zu fühlen, doch dann verging diese Sehnsucht wieder und er aß weiter. Nur einmal stutzte er, denn ein Schatten schien in den Regenschauern zu fliegen, der vorher nicht dagewesen war – doch dieser Eindruck war so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war und so aß der Weißhäutige weiter, um sich zu stärken, falls doch noch ein Kunde kommen würde.

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Währenddessen war der Schatten endlich gelandet. Seine Laune war so ziemlich bei Null und jeder, der Thyrock jetzt über den Weg laufen und ihm auch noch blöde Fragen stellen würde, hatte so gut wie verloren.

Nun stand er mitten auf der Zugbrücke, die die Klippe mit dem Festland verband und sah sich etwas um. Er kannte ja die Vorlieben der Drachen für alles Schöne – aber bei aller Liebe: diese Gegend hier war nicht gerade schön, nicht gerade leicht zu finden und schon gar nicht einladend !

Wie sollte sich denn so ein Palast rentieren ?

Ganz dicht war der Besitzer ja wohl nicht – na wie auch immer, Thy sollte es egal sein und Recht zu allem auch. Je weniger Gäste da waren, umso größer dürfte die Auswahl sein und er würde was Brauchbares für die Nacht – besser gleich für die nächste Woche – finden.

Das mächtige Tor ein paar Meter vor ihm öffnete sich plötzlich. Mit einem Knarren, das sogar noch das Toben des Gewitters überdröhnte, wurde das feuchte Holz über die Planken geschoben und hervor trat … ein Knabe.

Thyrock sah noch einmal hin. Aber sonst ging’s noch, ja ? Ein Dämonenprinz vom mächtigsten Dämonenklan begehrte Einlass und alles, was man als Empfang abkommandierte, war ein Kind ? Ein mickriges, kleines Kind ?

Was genau sollte er mit dem Kerlchen machen ? Fressen ? Ficken ? Anbrüllen, weil er sich gerade so richtig verscheißert vorkam ?

Ja – das würde er tun, genau das ! Menschenkinder waren so schön schreckhaft, sie rochen so gut, wenn sie Angst hatten.

Der Knabe, nur in einem Lendenschutz und ledernen Strümpfen, kam mit einem Lächeln auf ihn zu und verbeugte sich tief. Na ja, Anstand hatte er ja wenigstens, grinste Thy in sich hinein. Vielleicht musste er ihn ja doch nicht gleich anschreien.

"Guten Abend, der Herr. Wie kann ich Euch helfen ?"

Kommando zurück – doch anbrüllen ! Wer so bescheuerte Fragen stellte, der musste einfach angebrüllt werden !

"Kleiner" Thyrock sprach leise und gelassen, staunte selber, zu was er um diese Zeit noch in der Lage war, "Komm mal her" Er lockte mit einem Finger und der Junge gehorchte noch immer mit einem Lächeln und folgte. So griff sich Thy den Kleinen, wirbelte ihn herum, dass sie Beide auf das Schloss sehen konnten und er legte seine große Hand auf die schmale Schulter.

Der Dämon war ungelogen doppelt so groß wie der Knabe und zog ihn an sich. "Gehen wir mal logisch an die Sache ran: wir stehen vor einem Bordell – ich bin nass und hungrig und du fragst mich, wie man mir helfen kann ? Seh ich so aus, als wollte ich euch Kuchen verkaufen ?"

Langsam verging auch dem Knaben das Lächeln, denn der Schweif des Fremden fingerte unter seinem Lendenschutz und die Stimme donnerte. "N-Nein … H-Herr", flüsterte er heiser und Thy grinste. Ging doch ! Man musste eben nur mal laut werden.

"Brav so", er tätschelte dem Kleinen den Kopf und schob ihn zur Tür zu. "Und jetzt bring mich mal fix zum Obermotz in diesem Schuppen. Denn meine Laune wird durch Dauerregen nicht gerade besser"

"Natürlich Herr – sofort der Herr – wie Ihr wünscht, der …"

"Schnauze", zischte Thyrock. Warum redeten Menschen immer so viel ? Gingen die sich damit nicht selber auf den Nerv ? Ihm jedenfalls gewaltig. "Halt einfach die Klappe und führe mich. Dann gibt’s keine Probleme"

So ging der Junge unsicher vor und Thyrock folgte. Er schüttelte in der großen, durch Fackeln erhellten Vorhalle seine nassen Flügel aus und knurrte, denn die Nässe war schon die die Haut gekrochen. Es würde Stunden dauern, bis die richtig trocken waren.

Ganz toll – sein Sklave hatte schon so gut wie verloren !

Aber er ließ sich erst einmal zu einem Zimmer bringen, wo der Knabe nur kurz klopfte und die Tür öffnete und dann mit einem erleichterten Seufzen verschwand. Thyrock sah ihm dann doch etwas entzückt hinterher.

"Tretet näher, mein Herr"

Der Dämon verrollte die Augen. Der Nächste, der mit dem Mist anfing – er war kein Herr, er war ein Dal’kes, ein Kaiseranwärter ! Und er wollte keine Konversation, sondern Sex !

Gut !

Hart !

Viel davon !

Wenn er reden wollte, konnte er in eine Ratssitzung gehen, da musste er nicht in einem Puff verschwinden !

Aber trotzdem trat er ein und schloss die Tür hinter sich. Wenn der grauhaarige Opa hinter dem Tisch jetzt auch noch fragte, wie man ihm helfen könnte, wäre der der Erste, der heute noch starb !

"Ich wünsche einen guten Abend. Es war sicher ein beschwerlicher Weg bis hierher ? Kann ich Ihnen etwas anbieten ?"

Einen Fick - und zwar schnell !, aber das behielt Thy dann vorerst einmal für sich. Er war vielleicht ein verzogener Bastard, der gern den arroganten Kotzbrocken markierte. Aber er wusste auch, dass man nie Leute verprellen sollte, von deren Gunst man noch abhängig war.

So nahm er nickend den dargebotenen Platz an und auch das Glas roten Weines – schwer und violett spielte er mit dem Licht der Kerzen und Fackeln im Raum. Selbst hier im Inneren der Burg war das Donnern noch zu hören.

"Nun, was kann ich für euch tun, Herr" Es war offensichtlich, dass sein Gegenüber, der sich unhöflicherweise selber noch nicht vorgestellt hatte, allen ernstes seinen Namen erwartete.

"Dal’kes – Thyrock Dal’kes. Sohn von Indigor Dal – Kaiser über die Feuerdämonen des Flammenreiches …" Er ließ das übliche bla bla bla einfach weg, er hatte keine Lust, die siegreichen Schlachten seines Vaters aufzuzählen. Schließlich war er hier nicht auf einem Empfang, sondern in einem Puff. "Und Sie wären ?"

"Entschuldigt meine Unhöflichkeit, Herr Dal’kes. Mein Name ist Gondor – Maximilian Gondor. Ich bin der Schatzmeister dieser heiligen Hallen, die dem großen und siegreichen Mayhem Anthar zu Eigen sind. …"

"Machen wir es kurz", fiel Thyrock seinem Gegenüber ins Wort. Ihm ging das hier alles schon etwas zu lange. Ihm war irgendwie kalt – er hatte Hunger – er war unausgeschlafen – er war unbefriedigt. Eine tödliche Mischung, wenn man nicht wusste, wie man mit einem Feuerdämon umzugehen hatte.

"Nun, Ihr wünscht einen Key – nehme ich an ?", wollte Herr Gondor wissen und schlug sein Buch auf.

"Nein, ich will ein Huhn kaufen. Natürlich will ich einen Key - Ihn nehmt richtig – aber ich brauch was Richtiges. Er muss Ausdauer haben und soll nicht rumzicken, er muss was vertragen können und massieren. Er sollte Erfahrungen mit Flügeln haben … und bitte keinen Engel"

Das wäre ja das letzte. Wieder so ein Flattermann, so ein Sensibelchen, das nach einem einzigen Ritt wimmernd in der Ecke hockte. Das würde ihm heute noch fehlen !

"Nun Herr Dal’kes, ich glaube Antal könnte Ihnen gefallen ?"

Soso – könnte ihm also gefallen ? "Was ist das ?", wollte er unwirsch wissen und griff sich einfach das Buch – leider sah man da nur die Gesichter, keine Körper, keine Größen. Gar nichts !

"Ein Wasserdämon"

"Sag mal geht’s noch ?" Langsam kam sich der Dämonenprinz wirklich verschaukelt vor. Seit gut dreihundert Äonen führten die Feuerdämonen gegen die Wasserdämonen Krieg und hier sollte er eine Menge Schmuck seiner Ahnen auf den Tisch legen, um einen von diesen abartigen Viechern zu ficken ? Aber nicht so.

Verächtlich wurde geknurrt und Thy blätterte alleine weiter.

Das lange, weiche Haar in angenehmem Gelb auf der nächsten Seite ließ ihn näher hinsehen – die Augen ohne Pupillen fesselten ihn geradezu. Auch sie schimmerten gelblich bis orange. Eine recht feminine Ausstrahlung aber doch nicht weibisch. Hey – der war lecker.

"Der hier" Ein langer Nagel tippte immer wieder auf das Bild, während das Buch zurück auf den Tisch gelegt wurde.

Herr Gondor zögerte etwas. "Avelle – eine gute Wahl. Anthar selbst hat ihn gefangen und hierher gebracht. Er ist nicht gerade billig"

Thyrock verdrehte die Augen und fingerte das Säckchen von seiner Hose, schüttete den Inhalt auf den Tisch und breitete das grün und blau schimmernde Geschmeide auf den Tisch. "Dioptas – Ihr wisst sicher, wie schwer dieser Stein zu verarbeiten ist und wie selten Schmuckstücke mit diesem Stein sind. Das sollte reichen, um die Sammelleidenschaft eures Herrn zu befriedigen. Oder ist es nicht genug ?" Der Typ sollte jetzt nichts Falsches sagen.

Doch der Grauhaarige nickte nur und lächelte. "Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit ihrem Sklaven – Herr Dal’kes. Gustavos wird Sie zu ihrem Zimmer geleiten"

Na endlich – Thyrock hatte schon gedacht, er würde diesen Raum gar nicht mehr verlassen. Vor der Tür wartete der gleiche Knabe wie eben und so brachte er den Dämonen schweigend zu einer Tür. Er wies nur darauf, verbeugte sich und quiekte unterdrückt, als Thyrocks Schweif noch einmal den Lendenschutz lüpfte. Der Süße trug gar nichts drunter. Wie leichtsinnig bei dem Wetter.

Mit einem breiten Grinsen stieß Thy die Tür auf und das Erste, was er sah … eine weiße Feder gleich neben der Tür.

Fast sofort erklang ein leises Knurren vom anderen Ende des Zimmers, aus den Schatten des vergitterten Fensters ... dann lichtete sich für einen Moment die dicke Wolkendecke und das Licht der Monde fiel durch das Fenster und fing sich in den weißen, leicht golden schimmernden Flügeln und in der weißen Haut des jungen Sklaven. Avelle zog seine Lippen über die langen, ebenso golden schimmernden Fänge zurück und breitete langsam die Schwingen aus – er konnte das Feuer in diesem Gast fühlen, ebenso die unterschwellige Wut und er hatte Angst. Er wußte, daß er diesem Kunden zu Diensten sein mußte, denn nur, wer bezahlt hatte, kam hierher zu den Zimmern und durfte auch eines betreten ... doch dies schien ein Feuerdämon zu sein und der Geflügelte scheute Feuer, auch wenn ihn sein Herr schon seit seiner Gefangenschaft immun gegen Feuer gemacht hatte, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Aber Avelle zögerte nur einen Moment lang, denn er wußte auch, was ihm blühte, wenn er sich verweigerte. Also kam er von seinem Fenstervorsprung und durchquerte das Zimmer, kniete neben dem großen Bett auf den Fellen nieder und senkte seinen Kopf, während er die Flügel eng anlegte. "Ihr wünscht, Herr ?"

Thyrock knurrte leise auf und besah sich den Sklaven, der neben dem extrem bequem aussehenden Bett kniete, etwas genauer. Innerlich schlug er sich vor den Kopf. Wusste denn wirklich Keiner, was in einem Bordell gang und gebe war ? Musste da wirklich noch jeder blöd herum fragen, was er wollte ?

Aber etwas Anderes hatte noch Vorrang. So ging er ein paar Schritte weiter auf das Bett zu, strich dabei die langen, feuchten Haare zurück und besah sich den jungen Mann zu seinen Füßen. Seine langen Nägel glitten unter das Kinn und so zwang er Avelle aufzusehen. Die pupillenlosen Augen faszinierten ihn noch immer, auch das feine Gesicht. Aber der Mann wirkte nicht wirklich zierlich.

"Ich wünsche erstmal zu erfahren, was der Mist soll. Ich verlangte ausdrücklich keinen Engel und dann so was da" Eine Hand griff grob in die Federn.

Mit einem leisen, schmerzlichen Aufschrei riß sich Avelle aus dem Griff und schlug instinktiv mit den Krallen seiner Hand zu – zog sie über den Unterarm des Dämons und wich ein wenig zurück, knurrte wieder und zog die Lippen von seinen Fängen zurück, bis er schließlich am Bett anstieß und nicht weiter zurückweichen konnte. Er zitterte am ganzen Leib, denn die Federn waren gut durchblutet und höchst empfindlich ... selbst von den beiden kleineren Federn, die noch in der Hand des Dämons lagen, tropfte Blut und die Wunden an seinem Flügel schlossen sich nur langsam. "Ich bin kein Engel !! Ich bin ein Sohn vom Volk der Sarusayn und keiner dieser dauernd betenden und jammernden Idioten ! .....Herr......" Avelle hatte Angst ... wie er es erwartet hatte, war dieser Feuerdämon brutal, scherte sich nicht im Geringsten dafür, ob er ihm Schmerzen bereitete und beschimpfte ihn sogar noch als Engel. Auch das 'Herr' kam ihm diesmal nur schwer von den Lippen, da unter seiner Angst auch leise Wut lag, der Instinkt, sich selbst zu beschützen ... er durfte nicht verstümmelt werden, doch manche Gäste vergaßen das nur zu gern, einer der Gründe, weshalb ihm der Drache noch immer seine Fänge und Krallen gestattete.

Thyrock sah eine ganze Weile ungläubig auf die Wunde an seinem Unterarm, die sich nur langsam schloss. Noch immer tropfte Wasser aus den langen, violetten Haaren. Also irgendwie verlor er die Geduld – aber gewaltig !

"Was soll der Mist, du Kratzbürste ?", wollte er wissen und zeigte dem Sklaven seinen Unterarm, auch wenn die Wunde kaum noch zu sehen war.

"Ist das deine Form des Gehorsams oder bist du einfach nur schlecht erzogen ?"

Na, da hatte er sich ja ein Früchtchen ausgesucht. Sicher, der Knabe war hübsch – aber auch ziemlich widerborstig. Nicht so wie Almér und Gasué. Wenn er ehrlich war, hatte er sich schon etwas in der Art erhofft, etwas Zutrauliches, etwas Zurückhaltendes, nur eben etwas stabiler und ausdauernder… und nun hatte er hier etwas mit Zähnen und Klauen und Flügeln !

Was für ein Scheiß Tag !

Seine Hand schloss sich um die blutigen Federn und wütend warf er sie auf den Boden, ehe er auf den Flattermann zuging, der dort am Boden hockte.

Seine Hand griff sich das Kinn, sodass Avelle zu ihm hinauf sehen konnte. "Stellen wir gleich mal was klar, Hübscher ! Ich hatte einen beschissenen Tag. Du bist auf dem besten Weg, dir ordentlich Ärger einzuhandeln. Kratzt du mich noch einmal, knallt’s. Kommst du auf die Idee, mich stattdessen lieber zu beißen, knallt’s auch."

Aber diese orangeschimmernden Augen faszinierten ihn ungemein.

"Ich gehorche, solange ihr mich nicht verletzt, Herr ... ich kann euch verwöhnen und entspannen, doch ihr dürft die Sklaven nicht verletzen, Herr. Ist euch das nicht gesagt worden ?" Die Angst des schlanken Geflügelten verstärkte sich mit jedem Herzschlag – er fühlte den Zorn des Anderen, er wußte, daß es ein Fehler gewesen war, ihn zu verletzen, doch der Schmerz, als ihm die Federn ausgerissen worden waren, war so stark gewesen, daß Avelle instinktiv reagiert hatte. Es kostete ihn große Überwindung, doch schließlich breitete der Weißhäutige die Schwingen wieder ein wenig aus und ließ sie sanft über den Körper des Dämons streichen ... eine zarte Berührung, doch die warmen, weichen Federn nahmen das Wasser auf und wärmten, kosten schon fast über die Haut des Größeren, ehe Avelle sie wieder wegnahm und den Blick senkte.

Hey, das war gar nicht übel. Zwar mochte Thyrock Federn eigentlich gar nicht, er kokelte sie viel lieber an. Aber dass diese Schwingen anders waren als die der Schoßengel seiner Brüder, das hatte er auch schon bemerkt. Keinem der Engel machte es etwas, wenn man mal durch die Federn wuschelte, aber der hier fing an zu bluten. Schon ein komischer Flattermann.

"Okay, da wir die nächste Zeit hier zusammen wohnen werden und ich keine Lust habe, mich zu wiederholen, klären wir besser vorher ein paar Dinge." Langsam ließ der Dämon seinen Blick durch das recht karge Zimmer wandern und breitete die feuchten Flügel wieder etwas aus.

"Wenn mir was nichts passt, sag ich dir das. Wenn dir was nicht passt, mach gefälligst auch den Mund auf. Ich bin hier, um mich zu erholen und nicht, um einen schmollenden Typen um mich zu haben. Wenn ich sage spring – will ich von dir hören ‚wie hoch’. Und ein paar Dinge erwarte ich als selbstverständlich. Du wirst dich um das Essen kümmern und du wirst dich um mein Wohl kümmern. Kleiner, du bist verdammt teuer, ich will was für mein Geld, klar ?"

Wieder fing sich Thy das Gesicht des Anderen, weniger grob, weniger harsch. Was konnte Avelle denn dafür, dass er extrem schlechte Laune hatte ? Noch war er nicht der Grund. Aber dass der Süße gleich zu kratzen anfing ? Da stand ihm ja noch Einiges bevor. Des Widerspenstigen Zähmung, oder was ?!

 

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